Karfreitag - Stille Tage
Von je her hat die Kirche die Tage Karfreitag und Karsamstag als „Stille Tage“ bezeichnet. Damit verband sich das Verbot von Amtshandlungen (Taufen, Trauungen, aber auch Beerdigungen) an diesen Tagen, und selbstverständlich auch der Verzicht auf jegliche Vergnügungen. Dabei wurde dieser Verzicht in der protestantischen Kirche recht großzügig gehandhabt. Immerhin hatte der Gesetzgeber die „Stillen Tage“ tatsächlich geschützt, so dass Vergnügungen im öffentlichen Raum (auch in Kneipen) untersagt blieben. Zwar durfte man in Kneipen zusammenkommen, aber eben nicht „feiern“. Tanz war untersagt und ist es bis heute.
In den vergangenen Jahrzehnten haben immer mehr Menschen gefordert, dieses Verbot zu lockern bzw. ganz aufzuheben. Angesichts der Tatsache, dass kaum mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland mehr einer Kirche angehört, sei es nicht richtig, den Rest der Bevölkerung derart einzuschränken. Manchmal wurde bewusst und pressewirksam das Tanzverbot gebrochen, um auf diese Problematik hinzuweisen.
Faktisch war es allerdings im Stillen ohnehin schon kaum mehr beachtet worden – man hängte es nur nicht an die große Glocke, wenn man eine Vergnügungsveranstaltung in diesen Tagen plante und dazu einlud.
Der Corona-Virus Covid19 hat nun dafür gesorgt, dass es tatsächlich wieder diese „Stillen Tage“ gibt. Noch ein bisschen stiller, denn eigentlich konnten Kirchen am Karsamstag z.B. noch eine Andacht anbieten, was heute ebenfalls nicht möglich ist. Es wäre zu wünschen, dass sich alle Menschen, aber besonders auch die, die einer Kirche angehören und schon lange nicht mehr über die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Stillen Tage nachgedacht haben, diese Zeit nutzen, um sich selbst bewusst zu machen, worum es eigentlich geht.
Gott ist tot – dieser prägnante Satz von Nietzsche müsste eigentlich auch für diese Tage bis zum Ostermorgen gelten, denn wenn Jesus Gottes Sohn und der Trinitätslehre gemäß Jesus kein separater Gott, sondern nur eine Wesensform Gottes, Jesus also Gott selbst, ist, dann ist dieser Satz wahr, zumindest für die Zeit von Karfreitag 15 Uhr (Jesus starb zur 9. Stunde, und die Stunden wurden ab dem Morgen, also 6 Uhr, gezählt) bis zum Ostermorgen vor knapp 2000 Jahren. In den folgenden Jahren wurde auch dies bedacht, wenn man die „Stillen Tage“ beging.
Was bedeutet es für uns Menschen, wenn Gott tatsächlich tot ist?
Die Welt wäre jeder vernichtenden Macht ausgeliefert – auch dem Virus Covid19 (wobei man schon auch mal darauf hinweisen muss, dass nicht jeder, der daran erkrankt, auch stirbt – die Sterblichkeitsrate ist weit niedriger als z.B. bei Pest oder Cholera, und angesichts unserer medizinischen Möglichkeiten im Grunde sogar vernachlässigbar, wenn die Zahl der infizierten Risikopatienten überschaubar bleibt). Es gäbe keine Hoffnung über den Tod hinaus, das Leben wäre sinn- und trostlos.
Sicher, manche finden darin einen Sinn, sich so viele Güter wie möglich zu sammeln, aber an irgendeinem Punkt erkennt (fast) jeder Mensch, dass man so stirbt, wie man geboren wurde: nackt.
Natürlich kann man seinen Reichtum vererben, wenn nicht an die Familie (die es vielleicht nicht gibt), dann an irgendwelche Organisationen. Man kann sich auch ein Denkmal setzen (lassen). Aber was nützt es? Wenn man über die Friedhöfe streift, die schon hundert und mehr Jahre bestehen, und manche der Gräber, die besonders prunkvoll gestaltet sind, betrachtet, wird einem erneut bewusst, wie vergänglich auch jeder Ruhm ist. Wer ist dieser Mensch? Niemand erinnert sich mehr. Einige wenige Ausnahmen, deren Namen in Geschichtsbüchern zu finden sind, gibt es, aber was sind das auf die vielen Milliarden Menschen, die schon gelebt haben?
Die „Stillen Tage“ helfen uns, uns bewusst zu machen, dass das Leben seinen Sinn nicht von dem her bekommt, was wir uns schaffen und was wir leisten, sondern daher, dass wir Geschöpfe sind, deren Schöpfer sich ihnen mit unendlicher Liebe zuwendet. Darum starb er, damit wir leben können, damit der Tod nicht das letzte Wort hat und wir nicht dem Vergessen anheim gegeben werden.
Das Halleluja des Ostersonntags ist wahrhaftig ein Befreiuungsschlag. Es befreit uns von der Knechtschaft des Todes, es offenbart uns Gottes liebevolles Handeln, es schreit: Leben! Leben im Angesicht dessen, der jeden einzelnen mit Namen kennt, und noch mehr: der jeden unserer Schritte weiß und uns schon sah, bevor wir gezeugt wurden.
Aber nicht nur das. Denn der Tod Jesu Christi am Kreuz trägt ja auch eine andere Botschaft: „Für Dich!“ Unsere Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten (Jes 53, 5b).
In der Stille dieser Tage können wir diesen Frieden ein Stück weit erfahren und von hier aus mitnehmen in die Zeit, die vor uns liegt.
kommunitaet am 10. April 20
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Keine Gottesdienste
Es fällt mir schwer, es zu verstehen, und noch schwerer, es zu akzeptieren: noch bevor die Regierung ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen, ausdrücklich auch Gottesdienste, verkündete, hatten bereits einige Kirchen, allen voran die Braunschweigische Landeskirche, das Aussetzen sämtlicher Gottesdienste bis mindestens Quasimodogeniti (19.4.2020) empfohlen.
Sicher, es musste schnell gehandelt werden, aber eine theologische Reflexion hätte ich mir schon gewünscht. Denn mit dieser Entscheidung wurde, und das ist das Eigentliche, was mich an den Verlautbarungen der öffentlich-rechtlich-organisierten Kirchen (vor allem Landeskirchen und EKD) sehr stört, erneut das biblische Zeugnis entwertet bzw. missachtet.
Natürlich hatte das schon im vorletzten Jahrhundert mit der historisch-kritischen Exegese begonnen, die im 20. Jahrhundert ihren Höhpunkt erreichte – schien es. Es gab Ansätze, die wieder etwas zurückruderten, aber diese Ansätze wurden an der Basis und in der Pfarrerschaft nahezu komplett ignoriert. In den lutherischen Kirchen werden Pfarrer bei der Ordination zwar immer noch zur Treue gegenüber dem biblischen Zeugnis und den Bekenntnisschriften verpflichtet – ich kenne aber nur sehr wenige (ja, man kann sie an zwei Händen abzählen), die zu dieser Verpflichtung stehen, und diese sind schon recht alt. Ansonsten gibt es einen unsäglichen Wildwuchs in allen Bereichen in dem Bemühen, den Zeitgeist einzuholen, weil man der Ansicht ist, dass bedeutungsvolle Symbolik und ebensolche Texte nicht mehr vermittelbar wären. Niemand scheint mehr zu wissen, dass das Vorbild der Kirche nicht der Zeitgeist, sondern Jesus Christus ist.
Mit dem Aussetzen der Gottesdienste während der Corona-Krise wird nun bezeugt: es gibt kein Heil in und durch Jesus Christus. Denn wenn es das gäbe, dann könnten Gottesdienst und Abendmahl nicht als Ansteckungsquelle gesehen und dementsprechend ausgesetzt werden, so als seien sie gleichzusetzen mit dem Seniorennachmittag, der Werkgruppe oder dem Fußballspiel. Es müsste vielmehr gerade jetzt großer Wert auf die gottesdienstliche Zusammenkunft gelegt werden. Das gemeinschaftliche Gotteslob und Gebet stärkt und ermutigt, es hilft vielen Menschen, die ansonsten recht einsam leben und/oder die jetzt dringend geistlichen Zuspruch brauchen.
Und ja, natürlich kann man auch beim Gottesdienst und Abendmahl noch Rücksicht auf die Angst vor Ansteckung nehmen. Die Kirchen sind meist groß genug, dass man sich mit genügend Abstand voneinander setzen kann. Beim Abendmahl muss der Kelch nicht gereicht werden, es genügt das Brot. Auf die überflüssige Sitte des Händeschüttelns am Ein- und Ausgang kann man endlich getrost verzichten, ohne dass es einem übel genommen wird.
Ich hatte einen Aufschrei erwartet, als die Regierung auch Gottesdienste verbat, denn das ist ein unzulässiges Eingreifen in die Freiheit der Kirchen, die ansonsten immer wieder betont wird. Aber ich habe nirgends etwas vernommen. Ganz selbstverständlich wurde hingenommen, dass eine Regierung der Kirche die Ausübung ihres Ureigensten verbietet. Wie kann das sein? Auch wenn der Aufschrei nur verbal gewesen wäre (man hätte ja darauf hinweisen können, dass die Kirchen schon zuvor das Aussetzen der Gottesdienste empfohlen hatten), er wäre nötig gewesen um der Freiheit willen, zu der uns Christus befreit hat.
kommunitaet am 09. April 20
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Kirche geschlossen - Corona siegt!
Es hat mich schon schockiert: heute erhielt ich die Nachricht, dass in unserer Landeskirche (Braunschweig) alle Gemeinden gehalten sind, bis zum 19. April keine Gottesdienste zu feiern.
So manchem wird es sogleich bewusst, welch bedeutenden Feiertage in diese Zeit fallen. Aber wen stört's? Hauptsache, Corona wird nicht weiter verbreitet. Als ob die paar Leute, die sich zu den Gottesdiensten aufmachen, da wirklich ausschlaggebend wären. Aber wie so oft: wo man sich wichtig fühlen kann, macht man sich auch wichtig. Es wird eine schwerwiegende Entscheidung gefällt und man kann sich dabei noch auf die Schulter klopfen und sagen: ich habe das Richtige getan.
Ich muss an Jesus denken, der keine Scheu kannte, sondern sich Aussätzigen näherte und sie durch Handauflegung - oder auch nur durch ein Wort - heilte. Sicher ist das etwas völlig anderes... oder?
Ich muss an die vielen Menschen in der Geschichte der Christenheit denken, die sich aufmachten, um die zu pflegen, die an Seuchen erkrankt waren - ohne dabei an ihre eigene Gesundheit zu denken. Viele von ihnen starben wegen dieses Dienstes. Ich denke an die Pastoren, die ihre Gemeinden nicht im Stich ließen, als an ihrem Ort die Pest oder eine andere Seuche ausbrach, sondern zu den Gottesdiensten einluden und allen das Evangelium predigten - die einzige Hoffnung, die es für die Menschen in dieser Zeit noch gab.
Nun geht es hier natürlich um Prävention, was ja noch was anderes ist. Das Gefahrenpotenzial, der Gottesdienst, ist erkannt und beseitigt. "Oh, was seid ihr so kleingläubig!", möchte ich ausrufen. Es erinnert mich an die Diskussion um die Ansteckungsgefahr beim Abendmahl. Die theologische Dimension hatte plötzlich überhaupt keine Relevanz mehr, alles wurde vom medizinisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus begründet. Und ich möchte dennoch fragen: wie kann das Brot des Lebens und der Kelch des Heils zum Brot des Todes oder zum Kelch des Unheils werden? Doch nur durch den Unglauben, dadurch, dass man der Ansicht ist, dass diese theologischen Dimensionen nichts, aber auch wirklich gar nichts, bedeuten für unser Leben. Ja, dann kann man die Gottesdienste natürlich auch streichen, denn in ihnen kommt ja nichts Lebensförderndes vor, oder etwa doch?
Nur, ganz ehrlich: kann sich die Kirche dann noch Kirche (= "Zum Herrn gehörig") nennen, wenn sie selbst nicht mehr an das Wesentliche, nämlich die Verkündigung Jesu (z.B. "Ich bin das Brot des Lebens"), glauben kann?
Ich weiß, dass die historische Kritik sämtliche biblische Texte säkularisieren kann. Doch wer das tut, hört auf, diese Texte als das ernst zu nehmen, was sie sind: Zeugnisse des Glaubens. In der Kirche geht es nämlich einzig um den Glauben. Wer anders denkt, hat das Ziel und die Aufgabe der Kirche aus dem Blick verloren. Und wenn die Kirche nicht mehr zum Glauben ermutigen kann (dazu wären Gottesdienste wunderbar geeignet!), dann braucht man sie auch nicht mehr.
Noch eins: Ich rede hier nur von der protestantischen (evangelischen) Kirche. Ich weiß nicht, wie es sich zur Zeit in der römisch-katholischen Kirche verhält, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie ihre Gottesdienste (vorübergehend) abschafft.
Und auch dies sei gesagt: in der Empfehlung, die Gottesdienste nicht zu feiern, wird dies natürlich auch bedauert, da es sich ja um die Kernaufgabe der Kirche handele. Immerhin hat man das erkannt. Nur sollte dann nicht die Folge sein, alle anderen Events (Senioren- und was weiß ich was für Kreise) abzusagen und nur noch ausschließlich zum Gottesdienst einzuladen, vorzugsweise jeden Tag zum einer Buß- und Betandacht? Früher war das in Zeiten von Pest und Cholera usw. das übliche Verfahren...
kommunitaet am 13. März 20
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