Donnerstag, 9. April 2020
Keine Gottesdienste
Es fällt mir schwer, es zu verstehen, und noch schwerer, es zu akzeptieren: noch bevor die Regierung ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen, ausdrücklich auch Gottesdienste, verkündete, hatten bereits einige Kirchen, allen voran die Braunschweigische Landeskirche, das Aussetzen sämtlicher Gottesdienste bis mindestens Quasimodogeniti (19.4.2020) empfohlen.

Sicher, es musste schnell gehandelt werden, aber eine theologische Reflexion hätte ich mir schon gewünscht. Denn mit dieser Entscheidung wurde, und das ist das Eigentliche, was mich an den Verlautbarungen der öffentlich-rechtlich-organisierten Kirchen (vor allem Landeskirchen und EKD) sehr stört, erneut das biblische Zeugnis entwertet bzw. missachtet.

Natürlich hatte das schon im vorletzten Jahrhundert mit der historisch-kritischen Exegese begonnen, die im 20. Jahrhundert ihren Höhpunkt erreichte – schien es. Es gab Ansätze, die wieder etwas zurückruderten, aber diese Ansätze wurden an der Basis und in der Pfarrerschaft nahezu komplett ignoriert. In den lutherischen Kirchen werden Pfarrer bei der Ordination zwar immer noch zur Treue gegenüber dem biblischen Zeugnis und den Bekenntnisschriften verpflichtet – ich kenne aber nur sehr wenige (ja, man kann sie an zwei Händen abzählen), die zu dieser Verpflichtung stehen, und diese sind schon recht alt. Ansonsten gibt es einen unsäglichen Wildwuchs in allen Bereichen in dem Bemühen, den Zeitgeist einzuholen, weil man der Ansicht ist, dass bedeutungsvolle Symbolik und ebensolche Texte nicht mehr vermittelbar wären. Niemand scheint mehr zu wissen, dass das Vorbild der Kirche nicht der Zeitgeist, sondern Jesus Christus ist.

Mit dem Aussetzen der Gottesdienste während der Corona-Krise wird nun bezeugt: es gibt kein Heil in und durch Jesus Christus. Denn wenn es das gäbe, dann könnten Gottesdienst und Abendmahl nicht als Ansteckungsquelle gesehen und dementsprechend ausgesetzt werden, so als seien sie gleichzusetzen mit dem Seniorennachmittag, der Werkgruppe oder dem Fußballspiel. Es müsste vielmehr gerade jetzt großer Wert auf die gottesdienstliche Zusammenkunft gelegt werden. Das gemeinschaftliche Gotteslob und Gebet stärkt und ermutigt, es hilft vielen Menschen, die ansonsten recht einsam leben und/oder die jetzt dringend geistlichen Zuspruch brauchen.

Und ja, natürlich kann man auch beim Gottesdienst und Abendmahl noch Rücksicht auf die Angst vor Ansteckung nehmen. Die Kirchen sind meist groß genug, dass man sich mit genügend Abstand voneinander setzen kann. Beim Abendmahl muss der Kelch nicht gereicht werden, es genügt das Brot. Auf die überflüssige Sitte des Händeschüttelns am Ein- und Ausgang kann man endlich getrost verzichten, ohne dass es einem übel genommen wird.
Ich hatte einen Aufschrei erwartet, als die Regierung auch Gottesdienste verbat, denn das ist ein unzulässiges Eingreifen in die Freiheit der Kirchen, die ansonsten immer wieder betont wird. Aber ich habe nirgends etwas vernommen. Ganz selbstverständlich wurde hingenommen, dass eine Regierung der Kirche die Ausübung ihres Ureigensten verbietet. Wie kann das sein? Auch wenn der Aufschrei nur verbal gewesen wäre (man hätte ja darauf hinweisen können, dass die Kirchen schon zuvor das Aussetzen der Gottesdienste empfohlen hatten), er wäre nötig gewesen um der Freiheit willen, zu der uns Christus befreit hat.